Informationen über Autismus

Entwicklungsstörung mit tiefgreifenden Auswirkungen auf das soziale Leben

Autismus ist eine angeborene, tiefgreifende Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems, welche die Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn beeinflusst. Menschen mit Autismus sind – sowohl sprachlich als auch nonverbal – in ihrer Kommunikationsentwicklung und beim wechselseitigen Umgang mit anderen Menschen eingeschränkt. Sie haben Schwierigkeiten in der Regulation von Nähe und Distanz zu ihren Mitmenschen, scheuen z. B. Blick- und Körperkontakt und setzen kaum Gestik und Mimik ein. Den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen fällt es schwer, Kontakte zu knüpfen und Beziehungen einzugehen.

Zudem zielt das Interesse von Menschen mit Autismus häufig allein auf einen Gegenstand oder ein Sachgebiet. Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Asperger-Syndrom – einer Form des Autismus – können durch ihr ausgeprägtes Sonderinteresse auf einem Gebiet hochspezialisiert sein. Von diesem sind sie jedoch so sehr eingenommen, dass sie Mitmenschen oft sonderbar erscheinen.

Autismus-Spektrum-Störungen: große Bandbreite an Symptomen und Schweregraden

Mit Autismus können zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten, Symptome und Begleiterscheinungen einhergehen, neben stereotypen Interessen, z. B. auch Tics und ein ausgesprägtes Schwarz-Weiß-Denken. Die Bandbreite ist so groß und vielfältig, dass unter dem Oberbegriff "Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)" sämtliche Erscheinungen dieser Entwicklungsstörung gefasst werden.

Art, Ausprägung und Schweregrad sind individuell sehr unterschiedlich. Manche Menschen entwickeln einen leichten Autismus mit dem sie in ihrem Alltagsleben zurechtkommen, andere sind schwer beeinträchtigt und benötigen ihr Leben lang Unterstützung.

Diese Formen des Autismus werden unterschieden

  1. Der frühkindliche Autismus ist eine schwere Form dieser Entwicklungsstörung. Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung und im sozialen Verhalten treten bei Kindern in der Regel bereits vor dem 3. Lebensjahr auf und bleiben ein Leben lang bestehen.
  2. Das Asperger-Syndrom macht sich für gewöhnlich erst nach dem 3. Lebensjahr bemerkbar. Die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen einige Auffälligkeiten des frühkindlichen Autismus, z. B. mangelnde soziale Kompetenzen, stereotype Verhaltensmuster und/ oder auffallendes Interesse an Sonderbereichen. Menschen mit dieser Form des Autismus sind in der Regel durchschnittlich intelligent und verfügen mitunter über Inselbegabungen (Savant-Syndrom). Sie können – z. B. unterstützt mit Gruppentherapie – lernen, im Alltag zurechtzukommen und ein selbstständiges Leben zu führen.
  3. Der atypische Autismus wird auch frühkindlicher Autismus mit atypischem Erkrankungsalter oder Symptomatik genannt. Er unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus darin, dass bei Kindern erst nach dem 3. Lebensjahr Entwicklungsstörungen auftreten und/ oder sie nicht alle Auffälligkeiten aufweisen.

Ist Autismus eine Behinderung?

Autismus ist keine Behinderung, sondern nach den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine psychische Störung. Ein hoher Anteil der Menschen mit Autismus hat jedoch auch eine geistige Behinderung – laut Studien 70 Prozent.

Die Meinungen darüber, ob Autismus eine Behinderung ist oder eine andere Form des Denkens, Fühlens und Handelns, gehen auseinander. Nach dem Sozialgesetzbuch handelt es sich jedoch bei frühkindlichem Autismus und dem Asperger-Syndrom um Behinderungen. Menschen mit Autismus können dadurch einen Schwerbehindertenausweis beantragen, der mit einer Vielzahl an Vorteilen auf einen Nachteilsausgleich zielt, z. B. finanzielle Vergünstigungen, steuerliche Freibeträge oder besondere Regelungen beim Kündigungsschutz.

Häufig gestellte Fragen

  • Wie äußert sich Autismus?

    Menschen mit Autismus können:  

    • soziale und emotionale Signale nur schwer einschätzen und aussenden
    • auf Gefühle anderer Menschen selten angemessen reagieren
    • beim Imitieren von Verhalten deutlich eingeschränkt sein
    • im Sprachgebrauch und -verständniss so eingeschränkt sein, dass wechselseitiger Austausch und Interaktion, Mimik und Gestik sowie Flexibilität im Ausdruck und in der Sprachmelodie wenig ausgeprägt sind
    • nur wenig Spontanität, Initiative und Kreativität zeigen

    Zudem werden wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Aktivitäten und Interessen an den Tag gelegt und alltägliche Aufgaben starr und routiniert erledigt. Menschen mit Autismus neigen z. B. dazu:

    • bestimmte Handlungen in bedeutungslos erscheinenden Ritualen auszuführen. So können etwa große Probleme bei Veränderungen von Handlungsabläufen auftreten, z. B. wenn Gebrauchsgegenstände nicht mehr an ihrem gewohnten Platz zu finden sind.
    • einfache oder auch komplexe Handlungen immer gleichbleibend zu wiederholen – scheinbar ohne Funktion und Ziel.
    • sich ständig mit den selben Dingen zu beschäftigen, z. B. mit Daten oder Fahrtrouten. Häufig ist ein außergewöhnliches Interesse an Teilaspekten von Objekten zu beobachten, z. B. wie diese riechen oder sich anfühlen.

    Weitere psychische Begleiterscheinungen können sein:

    • übergroße Befürchtungen
    • Phobien – extreme Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen
    • Schlafprobleme
    • Zwangsgedanken und -handlungen
    • Essstörungen
    • herausforderndes Verhalten, d. h. Verhaltensweisen, die vom sozialen Umfeld als unangepasst und nicht situationsgerecht empfunden werden, im äußersten Fall z. B. Wutausbrüche bis hin zur Selbstverletzung
  • Ab welchem Lebensalter kann Autismus diagnostiziert werden?

    Bis zum 18. Lebensmonat entwickeln sich die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten von Kindern sehr unterschiedlich. Eine eindeutige Diagnose ist bis zu diesem Lebensalter daher sehr schwierig. Können danach keine körperlichen Ursachen wie Hör- und Sehstörungen oder Hirnschädigungen für die Symptome gefunden werden, sind Kinder- und Jugendpsychiater in der Lage, ggf. eine Autismus-Diagnose zu stellen.

    Es ist ratsam, bei Auffälligkeiten und Verdacht auf Autismus so früh wie möglich, Spezialisten zu konsultieren, um ggf. zeitnah mit der autismusspezifischen Frühförderung zu beginnen. Je eher ein Kind gefördert wird, desto besser. Das Gehirn ist in den ersten Lebensmonaten und -jahren noch besonders wandlungsfähig.

  • Sind Menschen mit Autismus weniger intelligent?

    Der Intelligenzgrad bei Menschen mit Autismus reicht von geistiger Behinderung bis hin zu überdurchschnittlicher Intelligenz. Einige Menschen verfügen über eine Teil- oder gar Inselbegabung, z. B. im Rechnen oder in der Musik. Dieser widmen sie sich mit großer Ausdauer, haben jedoch oft kaum andere Interessen.

  • Was für Ursachen hat Autismus?

    Bis heute konnten die Ursachen für Autismus nicht eindeutig bestimmt werden. Führende Forscher gehen von einem multifaktoriellen Gemengelage aus. Als eine Hauptursache gelten erbliche Faktoren. So ergaben Studien, dass bei einem Elternteil oder bei Geschwistern mit Autismus, die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, dass ein Kind bzw. der Bruder oder die Schwester ebenfalls eine autistische Störung entwickelt. Bei Untersuchungen mit eineiigen Zwillingen waren deutlich mehrheitlich beide Kinder autistisch. Als weitere Faktoren werden organische und biochemische Besonderheiten diskutiert. 

  • Wie häufig kommt Autismus in der Bevölkerung vor?

    Hierzulande liegen keine genauen Zahlen zur Häufigkeit von Autismus vor. Laut Autismus Deutschland, dem Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus, gibt es unter 1000 Menschen 6 bis 7 Personenen, die der Diagnose ASS zuzuordnenen sind. Darunter befinden sich zwischen 1 und 3 Menschen mit Asperger-Syndrom und 1 bis 2 Menschen mit frühkindlichem Autismus.

    Die Entwicklungsstörung soll bei Jungen viermal häufiger als bei Mädchen auftreten. Allerdings könnte das weibliche Geschlecht häufiger betroffenen sein: Frauen und Mädchen mit Asperger-Syndrom sollen sich oft angepasster verhalten, sodass die Entwicklungsstörung bei ihnen nicht auffällt oder erst spät erkannt wird.

Perspektiven für Menschen mit Autismus

Das Leben von Menschen mit Autismus ist eingeschränkt. Insbesondere Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit frühkindlichem Autismus sind ihr Leben lang auf Hilfestellungen angewiesen. Mit individueller Unterstützung, Begleitung und Assistenz können sie jedoch den Alltag meistern und maximale Selbstständigkeit und Selbstbestimmung erlangen – bis hin zum Wohnen in einer Wohngemeinschaft oder in den eigenen vier Wänden.

Alle Angebote auf einen Blick

Sie haben Fragen zum Thema Autismus und suchen Unterstützung für sich oder Ihr Kind? Wir bieten Unterstützungsangebote für Menschen mit Autismus jeden Alters und in jeder Lebensphase sowie für Angehörige und Institutionen. Im Rahmen unseres unternehmensweiten Netzwerkes arbeiten wir eng mit internen und externen Kooperationspartnern zusammen – kooperativ, auf Augenhöhe, für mehr aktive Teilhabe für Menschen mit Autismus. Erfahren Sie mehr im Flyer "Autismusnetzwerk im Oberlinhaus".

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